Beleidigte Mutterbrust

von Jnes Rampone-Wanger, Freie Journalistin, Vaduz

3. September 2023 | Gastautor
Kolumnen

Da sass ich doch mit ein paar jungen Frauen beim Kaffeeklatsch und wunderte mich. Die fünf akademisch ausgebildeten Endzwanzigerinnen echauffierten sich über eine – natürlich nicht anwesende Freundin – die in der vergangenen Woche ihr Baby während einer Geburtstagsparty mitten im Freundeskreis gestillt hat. „Die hätte sich doch wohl in ein separates Zimmer zurückziehen können“ , meinte die Bankerin und ergänzte: „Das ist ja für das Kind schrecklich unter so vielen Menschen gefüttert zu werden und zudem war ich völlig schockiert, als ich plötzlich diese grosse Brust sah.“

Ich war auch kurz schockiert: Weshalb erschrickt eine selbst nicht gerade flachbrĂĽstige junge Frau, wenn sie zusehen muss, wie eine Mutter ihr Kind zur Brust nimmt? Und weshalb geben ihr ausnahmslos alle anderen anwesenden Gleichaltrigen recht, wo doch in jeder Duschgelwerbung mindestens ein paar BrĂĽste zu sehen sind?

Ich kam mir vor wie einen Hippiegrossmutter, die an den Pranger gestellt wurde und versuchte zu vermitteln. Es sei doch eine natürliche Sache mit dem Stillen und habe mit öffentlicher Entblössung nichts zu tun, warf ich ein. Aber ich war chancenlos, die jungen Damen waren sich einig, dass Stillen zwar gut fürs Kind sein, aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattzufinden habe. Ich gab nicht auf und griff auf meine dreifache Stillerfahrung zurück. „Es gibt ja auch die Variante, sich ein Tuch über die Schultern zu legen und so die Blicke von Kindermund und Mutterbrust fernzuhalten“, schlug ich vor. Aber auch davon wollten meine Diskussionspartnerinnen nichts wissen.

Das Stillen im Beisein von anderen Menschen – mit Ausnahme vom Vater und den Geschwistern des Babys – sei unmöglich, weil es ein viel zu intimer Vorgang sei, um ihn mit anderen zu teilen. Ob das einem hungrigen Säugling auch einleuchtet?

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